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Kirgistan 2017 - Teil 3 von 8  1 2 3 4 5 6 7 8 
 

 

Zum Issyk Köl

Tong und Saska

Karakol und Altyn Arashan

 


Issyk Köl, der warme See

 

Freitag 4.8.17

Ein sonniger ruhiger Morgen. Die regnerische Nacht ist vorbei. Beim Morgenspaziergang überrasche ich zwei Murmeltiere, und als ich die Kamera schussbereit habe, hat das eine gerade eine Dohle vom Eingang seines Baus vertrieben:

Pauls Fenster wird fertig repariert, der Schließdorn war zu lang. Während des eigentlich gemütlichen Frühstücks frischt es auf, das Dachzelt klappen wir schon zu zweit ein, und das Heckzelt zu dritt gerade noch, bei Sturm. Dabei macht es Knack und eine Zeltstange ist ab.

Nass und verfroren fahren wir im Schneckentempo zu Tal. Einige Male rutscht der UAZ aber ich kann ihn gut wieder einfangen. Der Scheibenwischer funktioniert, das Gebläse lärmt, und die Scheibe will immer abgewischt werden. Irgendwann sind wir endlich endlich unten und der Regen hört auf.

Weiter geht es zu Issyk Köl, dem größten See im Land und flächenmäßig zweitgrößten Gebirgssee der Welt nach dem Titicacasee. Er ist 182 x 60 km groß und aufgrund seiner enormen Tiefe von bis zu 668 m der zehntgrößte See der Welt - dem Volumen nach. Zu Sovjetzeiten wurde der See für den Test von Torpedos genützt und war zu großen Teilen Sperrgebiet.

Issyk Kul bedeutet warmer See, und tatsächlich friert er trotz seiner Höhenlage von 1609 m nie zu, wohl weil er von vielen warmen Quellen gespeist wird und aufgrund des fehlenden Oberflächenabflusses leicht salzig ist. Man vermutet, dass er unterirdisch entwässert, in den Fluss Chuy, und dadurch das Seewasser stärker durchmischt wird als bei anderen Seen, auch ein Grund dafür dass es kaum zu Eisbildung kommt. Unter Historikern wird die Gegend als einer der möglichen Herkunftsorte der Beulenpest (engl. Bubonic plague) gehandelt. Mit den Händlern der Seidenstraße kam die Krankheit binnen 10 Jahren durch mitreisende Nagetiere (und damit Rattenflöhe) im 14. Jahrhundert auch nach Europa und forderte 25 Millionen Todesopfer, ein Drittel der damaligen Bevölkerung. Erst 2014 starb am Issyk Kul ein einheimischer Bub nach dem Verzehr von Murmeltierfleisch an der Pest, weltweit gibt es noch einige tausend Fälle pro Jahr.

Alles sehr interessant, im Gegensatz zur grauen verregneten Landschaft - nach etwa 120 km sind wir in Bokonbaeva, die Sonne kommt raus, und wir erledigen ein paar Dinge: Handyguthaben aufladen, Datenwertkarte zum Laufen kriegen, Verpflegung kaufen. Die Megacom-Datenwertkarte ist wohl für Router gesperrt und funktioniert nur in Telefonen, so dass sie in mein Smartphone kommt - bei Bedarf mache ich vom Smartphone aus ein W-LAN für Paul auf. Das funktioniert mit dem Samsung S5 neo erfreulicherweise problemlos und stabil.

Mittagessen kriegen wir im Zentrum neben dem Tourismusbüro der CBT (Community Based Tourism). Wir lernen Lagman kennen, einen Nudeleintopf mit viel Fleisch und Gemüse, den es fast überall zu kaufen gibt:

Dort wird auch endlich der Stecker vom Ladeteil repariert und Pauls Macbook kann künftig während der Fahrt im Auto geladen werden. Auch gibt es dort WLAN, wir organisieren von eine Übernachtung in einem Jurtencamp und sind sehr froh, dass es uns dort gleich auf den ersten Anlauf gefällt, im Meiman Ordo Yurt Camp, einem von zweien mit direktem Seezugang. Zuerst versteht uns niemand, aber schnell wird nach dem "Manager" telefoniert, und der kann Englisch.

Die Jurte kostet uns zu dritt mit Frühstück 2700 Som (32 Euro). Schnell werden für uns 3 Betten auf dem Teppichboden gemacht und wir können einziehen. Die Jurte steht auf einem Betonsockel und innerhalb einer regensicheren Außenjurte aus Segeltuch, verfügt über einen großen LED-Strahler in der Mitte, zwei Steckdosen und Internetzugang.

Nachdem wir uns häuslich eingerichtet haben, sind noch ein paar Dinge zu erledigen: Wäsche waschen, Zelt trocknen und im Auto ist eine Warnlampe an. Wir klären telefonisch und per E-Mail mit Asamat, dass das eh wurscht ist, wir sollen nur öfter nach Öl und Wasser schauen und gut.

Um die gebrochene Zeltstange will sich der Manager kümmern, der auch als einziger hier Englisch spricht. Das Waschhaus ist perfekt.

Bei Sonnenuntergang gehen Paul und ich noch eine Runde schwimmen im erstaunlich warmen See. Der liegt zwar auf 1609 m, ist aber angeblich 23° warm.

Übrigens haben wir noch ein paar elektrische Spezialitäten am UAZ entdeckt:

  • Ist der Lichtschalter vom Abblendlicht an, dann lässt sich manchmal der Motor nicht abstellen. Er läuft auch bei abgezogenem Schlüssel weiter. Schaltet man das Abblendlicht aus, geht dann auch der Motor aus.
  • Hat man Licht abgeschalten und Schlüssel abgezogen, dann kann immer noch das Fernlicht an sein (Lenkstockschalter). In dem Fall zeigt unser Zusatz-Voltmeter dann aber nur 12,2 Volt statt 12,4.

 


Tong und Saska

 

Samstag 5.8.2017

Wir schlafen so gut in der dunklen Jurte, dass wir fast das für 9 Uhr vereinbarte Frühstück verpassen. Es gibt Spiegeleier, einen Tomaten-Gurkensalat, Brot, Marillenmarmelade, Tee, Süßkram. Der Tee wird mit heißem Wasser in einem kleinen Schälchen zubereitet, indem ein Teebeutel 5 Sekunden darin geschwenkt wird. Ein Beutel reicht so für mehrere Tassen.

Heute ist ein Ruhetag, wir waschen nochmal Wäsche, ich schreibe am Reisetagebuch. Lesen, fotografieren, Dachzelt lüften, komponieren (Paul und sein Macbook haben wieder Strom) etc.

Schwimmen im See, Mittagschlaf. Ich kann sogar meine Hängematte in der Außenjurte aufspannen, schön schattig und leicht windig, ideal auch zum Zeug trocknen und Essen kochen - gebratenes Gemüse gibt es:

Gegen 16 Uhr brechen wir zu einem Ausflug auf, schauen am Weg noch in Bokonbaevo in der "Supermarkthalle" vorbei, Tipp vom örtlichen Tourist Info. Hinter einem unscheinbaren Blechtor gibt es einen Kinderwarenladen, Kleidung und ein Haushaltswarenstandl. Dort können wir eine halbwegs dichte Plastikbox kaufen, um den leicht siffenden Benzinkocher einzupacken, der uns vermutlich das Auto einstinkt.

Dann fahren wir an Badestränden entlang weiter nach Osten, die Tong-Halbinsel ist DAS Badezentrum am Südufer des Issyk Köl. Man kann Getränke kaufen, Schwimmreifen, Luftmatratzen, alle sind fröhlich hier. Die gute Tat des Tages: Wir können dank Allrad einer Familie helfen, deren Wagen im Tiefsand festsitzt:

Wir fotografieren vor Tosor eine riesige sitzende Figur am Berghang und eine verlassene Anlage am Ufer, über die weder im Reiseführer noch im Internet etwas zu erfahren ist. Man erklärt uns später, das sei wohl eine Gedenkstätte für den berühmten kirgisischen Manastschi Sayakbay Karalaev, er war einer der letzten "Manastschi", die das komplette Manas-Epos vortragen konnten. Diese Epos behandelt in 500.000 Versen den Kampf des Volkshelden Manas gegen die Uiguren im 9. Jahrhundert und wurde immer nur mündlich überliefert, und erst 1885 schriftlich niedergelegt.
Der Herr Sayakbay Karalaev ziert übrigens auch den aktuellen 500-Som-Geldschein:

Scheints kam das Projekt nicht so richtig ins Laufen, heute ist es verlassen und das Tor zur prächtigen Anlage zugeschweißt:

Nach 30 km erreichen wir den Abzweiger zum "Fairy Tale Canyon" bei Saska. Nachdem an einer Schranke ein Obulus von 50 Som entrichtet wurde, führt eine schöne Sandstraße noch 2 km zu einem kleinen Parkplatz:

Eineinhalb Stunden durchwandern wir die bunten Sandsteinfelsen, bevor die Sonne sich hinter einer Wolkenbank versteckt.

Auch bei den Profis ist die Gegend beliebt:

Am Heimweg kaufen wir noch Getränke, und eine schnelle Runde schwimmen im See geht sich vor dem Abendessen um 20 Uhr auch aus.

Es gibt erstmal Tee und den gleichen Salat wie zum Frühstück, dann Manti (манти, dampfgegarte Knödel mit Fleischfüllung) , danach Wassermelone (дарбыз, darbiz ). Dazu natürlich das schmackhafte lokale Brot (Lepjoschka - VIDEO) und eine Art vergorenen Frischkäse. Bald danach gehen wir schlafen - ist ganz schön anstrengend, so ein "Ruhetag"...

 


Karakol und Altyn Arashan

 

Sonntag 6.8.2017

Marillengegend - winzig aber wohlschmeckend!

Nach dem Frühstück um neun stelle ich das Auto vor die Jurte, checke Öl und Kühlwasser. Dann geht es langsam ans Einräumen, nebenbei verklebe ich das Reparaturteil im Zeltgestänge.

Wir bezahlen für zwei Nächte mit Halbpension 6700 Som und kommen gegen Mittag los, frisch geduscht und ohne Schmutzwäsche. Der Plan: 130 km nach Kochkor, einkaufen, und dann versuchen die Radonquellen von Altyn Arashan zu erreichen. Dauert halt alles etwas länger, die Straße lässt kaum mehr als 80 km/h zu und die nicht oft. Ein russisches Sprichwort sagt "Wer geradeaus fäht musd betrunken sein", und das gilt durchaus auch für die "Ring Road" um den See, die reichlich Bodenwellen und Schlaglöcher zu bieten hat. Fährt man die Kurven mit Normaltempo, dann kann es einen schon mal um einen Meter von der Ideallinie versetzen.

Wir speisen gegen 14 Uhr, keine Pizza diesmal, aber auch Paul schmeckt es. Wir haben ein sehr schönes Restaurant an der Straße gefunden, nebendran findet eine Wahlveranstaltung statt, deswegen hapert es ein wenig an der flotten Bedienung, aber das Essen ist gut:

Wir bekommen Beschbarmak, ein Nationalgericht aus Nudeln, Zwiebeln und Lammfleisch. Beschbarmak bedeutet "fünf Finger", angeblich weil es nach Nomadenart ohne Besteck gegessen wird. Dann ist es aber meistens in Nudelteig verpackt:

Und eine Suppe mit sehr (!) viel Butter drin und fleischgefüllten Nudeln.

Stilles kaltes Wasser ist aus, aber es gibt Sprudelwasser, Orangensaft und einen Fruchtsaft im Krug der wie Kompott schmeckt (Kirsch? Zwetschge?) und auch so heißt: Kompot.

So nobel der Speisesaal ist, so kirgisisch sind leider die Plumpsklos im Hof. Es gäbe zwar immerhin Einzelkabinen, aber der Gestank lässt mich Geschäftliches auf später verschieben.

Karakol ist dann wie jede Stadt anstrengend für uns. Viel Verkehr, Baustellen, Staub, fehlender Fahrtwind sind Teile des Puzzles. Immerhin finden wir in der Hauptstraße einen netten Andenkenladen, wo man auch gut englisch spricht - den Issyk Kul Brand Shop in der Toktogul Ecke Alybakov. Es gibt neben Wollsachen auch ein paar Delikatessen, sodass wir mit Kräutersalz, Berberitzenmarmelade und einem Halstuch den Laden verlassen.

Gleich links nebenan ist ein kleiner Supermarkt namens "Karavan" mit tollem Sortiment wo wir uns für drei Tage verpflegen, unter anderem mit einer Literpackung Kefir der hoffentlich nicht zu arg vergoren ist. Leider hat der Sportladen schon zu, wieder nichts mit Gaskartuschen. Wir fahren in Richtung Berge, und erreichen bald die Fahrstraße nach Altyn Arashan, einer Alm mit Badehütten, wo man im radonhaltigen Wasser baden kann.

15 km soll sie lang sein, wir geben nach schwach einem Drittel auf. In Wirklichkeit ist das ein Wanderweg. Das Gerumpel und Geschaukel macht keinen Spaß, wir sind mit Fußgängertempo unterwegs und noch zwei weitere Stunden Tageslicht haben wir nicht. Nach einem besonders argen Stück ist das Tal etwas weiter, hier können wir gut übernachten und morgen wenden.

Das Bier ist noch kühl vom Einkauf, immerhin. Es gibt noch etwas Brot mit Wurst und Käse, Eva holt die Fleecedecke raus, denn es taut und wird schnell ungemütlich feucht-kalt.

Wir werden unseren weiteren Plan überdenken müssen. Mehr Urlaub, weniger Expedition. Dieses Tempo halten wir nicht durch, sind eh schon etwas hinter dem Plan und könnten alle drei etwas mehr Ruhe vertragen.

Nachts fahren bis etwa 21:30 noch ein paar Hunter und Buhankas durch, dann ist Ruhe.

 

 
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