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  Algerien 1989 Teil 4 von 5: Djanet bis Ghardaia



Die kranke Tenere wird verladen ...


... und wir fahren im Häusl mit.


Djanet - Illizi: Tag 1 bis Fort Gardel
Die nächste Etappe führt uns über gut 400 Kilometer nach Norden, zum Beginn der Asphaltstraße in Illizi. Orientierungsmäßig kein Problem, da es sich um eine gut definierte Gebirgspiste handelt, in zumeist steinigem Gelände. Unsere Truppe formiert sich, diesmal ohne Landrover:

  • Tom aus Bayern, auf XT500A
  • Hex (Axel) aus Bayern, auf XT500A
  • Guido, unser Hesse, auf BMW Paris-Dakar 1150
  • Jürgen, Schwabe, auf BMW R80 G/S
  • Wolfgang, aus dem Norden Deutschlands, auf XT600
  • Christine und ich auf der Tenere

Die Strecke ist so kurz, dass wir unsere Vorräte auch ohne Auto gut und mit Reserve transportieren können. Die Fahrerlaubnis ist schnell eingeholt, trotzdem ist es eigentlich schon zu heiß zum Fahren. Und zum Schrauben auch: Nach etwa 60 Kilometern macht es immer beim Einfedern rrrRRRrRRRRRRRRrrrrrrrrrrrr. Die obere Kettenführungsrolle ist abgesprungen, die Kette läuft auf dem Bolzen. Das kann nicht gut sein, gleich dahinter sitzt die Benzinpumpe. Wir basteln aus Dosenblech und Reifengummi eine Ersatzrolle, die aber nur zehn Kilometer hält. Als wir zum zweiten Mal basteln, hält ein Lastwagen an und uns wird eine Mitfahrgelegenheit angeboten, bis zur nächsten Ansiedlung, wo es Schatten zum Schrauben gibt. Über eine improvisierte Rampe aus Sandblechen hieven wir die Tenere auf den Laster und nehmen im Führerhaus Platz, quälen uns zwei Stunden lang bis Fort Gardel, wo die anderen schon beim Mittagessen sitzen - Pommes Frittes.

Unsere Fahrer wollen keine Bezahlung annehmen, freuen sich aber dann doch über etwas Reifenflickzeug und ein paar Aspirin, beides anscheinend Mangelware hier. Sie erzählen noch lachend, dass ihnen hier vor ein paar Tagen deutsche Motorradfahrer mit Flickzeug ausgeholfen hätten, und holpern in einer Staubwolke davon.




Katzenwäsche: 0,25 Liter Wasser reicht


 


Djanet - Illizi, Tag 2 von Fort Gardel nach Tinterhrt

Vormittags basteln wir aus Abfällen viele Kettenrollen, besonders vielversprechend sind die aus gewebeverstärktem Hydraulikschlauch mit einem inneren Laufring aus Dosenblech. Die Achse wird geglättet, so dass sich die Rolle nicht von innen selbst zerstört. So verzehnfachen wir die Lebensdauer auf bis zu 100 Kilometer, und haben ein gutes Dutzend von den Dingern in Reserve mit. Beiläufig baue ich meinen Dämpfer aus und befreie das Innenrohr vom Drahtgeflecht, das schon recht zugesetzt war. Jetzt geht die Tenere gleich noch etwas besser.

Wir sind bis jetzt nur die Djanet-Sackgasse wieder ausgefahren, und jetzt trennen sich die Wege wieder: Tom und Hex sind eigentlich andersherum unterwegs und nach Tam abgefahren, währen die vier restlichen Moped nach Illizi weiterfahren. Wieder eine Affenhitze von 35-40 Grad, die Dämpfung lässt da schon deutlich nach. Unser Tagesziel hält aber eine willkommene Erfrischung bereit: einen natürlichen Swimming Pool (Guelta), wo wir uns Staub und Schweiß abwaschen können.



Guelta von Tinterhrt
  Die erste Reifenpanne der Reise ist zu beheben. Nicht etwa der erwartete Akaziendorn findet den Weg durch meinen Hinterreifen, sondern ein Schuhnagel! Zum Abendessen zaubert Christine eine Käsesuppe, die fortan zum Standard für leckeres Essen erklärt wird. Dann stellen wir die Zelte auf, trinken etwas Marillensaft, und Tee mit den vorbeikommenden Wächtern des Nationalparks, in dem wir uns hier befinden.



 


Djanet - Illizi, Tag 3 von Tinterhrt nach Iherir

Die Felsgravuren von Tinterhrt gehören zu den großen Sehenswürdigkeiten einer Algerienreise, und sind auch wirklich beeindruckend.
In der Jungsteinzeit, vor etwa 5000 Jahren, gab es hier Krokodile und Giraffen, Rinder und Strauße, die von den damaligen Bewohnern in Ritzzeichnungen und Felsmalereien verewigt wurden. Das Klima hat sich seot damals deutlich gewandelt, die genannten Tiere sind erst viele hundert Kilometer weiter südlich anzutreffen

 



Die Siedlung Iherir


Etwas zu wenig Schwung, schon gräbt´s
  Weiter geht es nach Norden. Wir hören die Kettenrolle rasseln und sind beruhigt: so lange sie rasselt ist sie noch drauf und funktioniert.

Wunderschöne Strecke durch schroffe Landschaft. Der Blick auf die Oase Iherir ist auch idyllisch, die Siedlung besteht großteils aus Strohhütten, die in einem tief eingeschnittenen Tal liegen.

Wir schaffen es, wiederum an einem Guelta zu übernachten. Es ist allerdings nur durch Kletterei zu erreichen, was sich aber auszahlt. Und KALT!

Abendessen: Milchreis und gegrillte Zwiebeln. Sternenhimmel.
 
Diese Ziege muss irgendetwas auf die Palme gebracht haben ...



 


Djanet - Illizi, Tag 4 von Iherir bis fast nach Illizi

Nach unserem täglichen Müslifrühstück brechen wir gestärkt auf. Und so wird´s gemacht: Aus entkeimtem Wasser und Milchpulver wird ein Milchbrei angerührt, da hinein kommen Müsli, Orangenstücke, vielleicht Datteln, und jedenfalls Marmelade. Wir löffeln wir zu zweit aus einer Schüssel, die sauber ausgegessen wird, dann mit Klopapier oder Sand ausgerieben und verstaut. Außer wir haben reichlich Wasser zur Verfügung, wie hier am Guelta.

Um halb elf sitzen wir auf den Motorrädern und rollen los. Die kurvige Piste erfordert
völlige Konzentration, macht aber einen Höllenspaß.


 

Wolfgang passt einmal nicht auf und landet beinahe in einer metertiefen Querrinne. Er kommt mit einer Vollbremsung gerade noch zum Stehen, allerdings schon mit dem Vorderrad in der Rinne, die nach rechts, zum Abhang hin, abfällt. Wenn er loslässt, riskiert er dass die XT zu Tale donnert. Also bleibt er stehen und hält das Motorrad mit aller Kraft zurück bis wir kommen - er war nämlich etwas vorausgeprescht ...

Wir können noch rechtzeitig helfen und die Yamaha zu dritt herausheben. Schwein gehabt, das war knapp.

Nach 130 Kilometern machen wir Schluß, die Konzentration hatte schon sehr nachgelassen.

  In einem steinigen Wadi finden wir ein paar kleine, etwas erhöht gelegene Sandflecken zu Zelt aufbauen. Man will ja nicht vom (seltenen) Wasser überrascht werden. Die Sonne ist noch eine blassgelbe Scheibe, die im Dunst versinkt. Es ist warm, um 21.00 Uhr hat es noch 26 Grad, morgens zwanzig. Heute schlafen wir AUF den Schlafsäcken.  




 
Djanet - Illizi, Tag 5 bis Illizi

Der letzte Pistenabschnitt ist sehr lebensfeindlich, vulkanische Gegend mit keinerlei Vegetation. Es ist heiß und trocken, wir saufen wie die Kamele.

Nach 60 Kilometern erreichen wir fast die Asphaltstraße. Kurz vorher befindet sich noch ein großes Weichsandfeld mit staubfeinem Fesch-Fesch, was wir leider zu spät merken. Als wäre es das tägliche und übliche Sandfeld, schalten wir runter und wollen mit Zug und etwa 50 km/h durchknattern - ein fataler Fehler! Das Vorderrad taucht ein wie in Wasser und rumpelt am Grund einer Spurrinne dahin, bis ein Stein im Weg ist. Die Gabel stellt sich quer, Überschlag! Christine fliegt im hohen Bogen über mich drüber und landet auf der Seite, ich schaffe es diesmal vom Motorrad wegzukommen und lande unsanft bäuchlings im tiefen Staub. Bäh!


 


Christine bleibt erstmal die Luft weg, und sie wird von Jürgen beruhigt und vorsichtig aufgesetzt, um wieder zu Atem zu kommen, während ich damit kämpfe, den Sand aus dem Helm und somit aus der Nase, dem Mund und den Augen zu bekommen. Gottseidank ist nichts ernstes beschädigt, weder bei uns noch bei der Tenere. Lediglich das Windschild ist noch etwas zertrümmerter als vorher, ein Rückspiegel ist auf Nimmerwiedersehen im Sand verschwunden. Und die Gabel ist verdreht, das lässt sich vor Ort gerade richten.

 

Jürgen hilft Christine beim Säubern

 
Weit fahren wir nicht mehr, finden in Illizi einen Campingplatz mit Zeribas zum Mieten. In einer dieser Strohhütten mieten wir uns ein, und machen einen Tag Pause. Uns tut alles weh.
Am Nachmittag erledigen wir unter Schmerzen allerlei Organisatorisches: Ein Gepäckträgerriss muss geschweißt werden, die neuen Duschen und Klos werden fleißig frequentiert, und einkaufen kann man hier, am Beginn der Asphaltstraße, auch gut: es gibt sogar Butter!
In unserer Zeriba schaut es aus wie bei den Vandalen. Alles liegt irgendwo am Boden herum, da es außer ein paar Feldbetten keine Einrichtung gibt. Aber uns ist eh nicht nach Einrichten, es ist dermaßen heiß, dass alle nur in der Unterwäsche herumliegen, Musik hören, lesen, schreiben, schlafen. Wir sind uns einig: morgen legen wir einen Ruhetag ein!

 



Campingplatz in Illizi


 
Abends holt uns der Sandsturm ein, dem wir tagelang davongefahren waren. In der Zeriba ist es auszuhalten. Nachdem ich meine Batterie und einen Blinker demontiert habe und damit für eine Abendbeleuchtung gesorgt habe, schlafe ich noch vor dem Abendessen todmüde ein.

So kriege ich auch nur wenig davon mit, wie drei andere Motorradfahrer und prospektive Campinggäste uns besuchen, und neben meinem Gesicht auf dem Feldbett wieder einmal eine große Spinne entdecken, samt folgender Verfolgungsjagd quer durch die Hütte. Es ist nicht bekannt, ob die drei neuen sich dann eine Zeriba gemietet haben.
 



Die "possierlichen" Walzenspinnen (lat. Solifugae) werden bis zu 12 cm lang, sind nachtaktive Jäger die vom Licht angelockt werden. Sie sind sehr schnell und bissig, aber nicht giftig. Besonders gerne essen sie Eidechsen: eine 15 cm lange Echse wird angeblich innerhalb von 20 Minuten verspeist ...
Am Morgen suchen sie sich eine dunkle Höhle, um dort den Tag zu verbringen.

Ein guter Grund, seine Stiefel genau zu inspizieren, bevor man hineinschlüpft. Oder man nimmt das Schuhwerk mit ins Zelt.


  


Illizi Ruhetag
Ein Ruhetag, der für Motorradwartung genützt wird, In der Zeriba hat es mollige 40 Grad, draußen auch nicht viel weniger. Es ist halt schon Anfang April. Immerhin werden so die ausgewaschenen Luftfilter blitzschnell trocken, und unsere Wäsche auch. Der nächtliche Sandsturm hat sich verzogen, das Wetter ist OK.
Jürgen lässt sein Getriebeöl ab, filtert es durch Papier und füllt es wieder ein. Wir schicken Telegramme nach Hause, weil das Telefon nicht geht. Wir haben unsere komplette Wäsche gewaschen (laufen eh nur in der Unterwäsche herum heute), und basteln Kettenrollen auf Vorrat. Morgen beginnt der Ramadan.

Weitere drei Tage werden uns uns nach Ghardaia bringen




Wieder auf Asphalt


Illizi - Ohanet - Hassi Bel Guebbur - Ghardaia
Eine gute Teerstraße unter den Rädern zu haben, das ist jetzt ein seltsames Gefühl. Das lange Geradeausfahren macht müde und gereizt, der Hintern schmerzt. Immerhin gibt es auf den nächsten 700 Kilometern genau eine Kurve, der Rest ist schnurgerade. Mittagspause in einem Lkw-Wrack, dem einzigen Schatten weit und breit. Nach 360 km reicht es für heute. Tomatensuppe, Lagerfeuer.

Weiter geht es. Heute ist es dunstig und dadurch nicht mehr soo heiß. Nach einem Frühstück im Stehen mit dem Rücken zum Wind geht es weiter - in Bodennähe ist wesentlich mehr Sand in der Luft. Knirscht so schon genug beim Kauen.


Ramadan in Hassi b. G.
  In Hassi bel Guebbour kehren wir auf ein Getränk ein. Der winzige Ort besteht eigentlich nur aus einer Tankstelle und dem Cafe, sowie zwei Essbuden, wo man auch ein paar Sachen einkaufen kann. Wir verdösen die Mittagshitze dort, trinken kalten Saft und spielen Karten. Draußen wabert die Hitze, und eine Ziegenherde wird vorbeigetrieben.

Unsere Wasservorräte füllen wir natürlich auch auf, allerdings ist das Wasser zum Trinken wegen des hohen Mineralstoffgehalts nur bedingt geeignet.
 
Wie im Western ...


Sandwandern ist schön und anstrengend
 
Wolfgang geht es verdauungsmäßig ohnehin nicht gut. Nach vierzig weiteren Kilometern lagern wir am Fuß einiger großer Dünen, noch auf der brettebenen Sandfläche. Wolfgang legt sich gleich hin, steht nur für dringende Geschäfte auf. Da es hier keinerlei Sichtschutz geht, ist das immer eine längere Wanderung.


 

Unser Klo: immerhin nicht eng!

Wüste pur
  Wir anderen erforschen das Sandmeer. Am bestens geht das am frühen Morgen wenn der Sand noch kühl und fest ist - und barfuß. Eine gute halbe Stunde dauert der Aufstieg hinauf zum Kamm. Da es Wolfgang nicht besser geht, legen wir hier einen Pflegetag ein, bauen aus dem Überzelt einen Sonnenschutz zwischen den Motorrädern, machen unsere kleinen Näharbeiten spielen Karten. Gegen Abend, als es etwas kühler wird, können wir weiterfahren. Noch zwei Stunden und etwa 160 km kommen wir heute in der Nacht. Da die Strecke gut ist, und wirklich kein Verkehr zu erwarten, trauen wir uns zu, in der Finsternis zu fahren. Wir passieren eine Raffinerie und Erdölfelder, wo lange Flammenzungen lodern, wo Erdgas abgefackelt wird. Etwas 150 km vor Hassi Messaoud bilden wir eine Motorradburg und legen uns mit den Schlafsäcken in die Mitte. Es ist kühl, der Himmel wird von den zehn Kilometer entfernten Erdölfeldern erhellt.


Sandsturm
  Noch ein Tag, der scheußlich zu fahren ist. Der Wind frischt auf, wir passieren die Ansiedlung Hassi Messaoud, schon eine richtige Stadt mit Wohnanlagen, Industrie. Militär. Der Seitenwind bläst immer stärker, wir fahren mit deutlicher Schräglage auf der Geraden dahin. Der Wind bläst Sand so knapp über die Straße, dass man stellenweise den Asphalt nicht mehr sieht, und auch die immer häufigeren Sandverwehungen nicht.
In Ouargla ist kein Cafe offen -. Ramadan! Wir können immerhin einen Kanister kalten Orangensaft kaufen, den wir mit unseren Trinkwasserschläuchen im Windschatten eines Hauses leerzutzeln. Nach Besichtigung des recht interessanten Sahara-Museums. Die Stimmung ist schlecht, Jürgen will schon nicht mehr weiterfahren und neben der Straße zelten. Irgendwie schaffen wir es dann aber doch noch alle in der Nacht bis Ghardaia, wo wir am Campingplatz unsere Bayern treffen. Und alles ist wieder gut. Getratsche und Duschen bis Mitternacht.
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