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  ALPENTOUR 1999 Teil 3 von 3

Am Lago di Como



Zeltleben am Campingplatz



Lago di Como (Italia)
Unser Abendlager schlagen wir nach weiteren 100 km am Comer See auf, wo wir uns den kleinsten und nettesten Camping in Domaso heraussuchen. Die Plätze sind alle gut belegt, und bei einigen werden wir abgewiesen oder würden keinen guten Platz bekommen. Es ist Donnerstag, die guten Stellflächen werden für die erwarteten Dauergäste freigehalten, die morgen kommen und für mindestens eine Woche bleiben.

Egal, wir brauchen nicht viel Raum, und für unsere Bedürfnisse ist der kleine Familienbetrieb "Camping Madonnina" ideal. Wir können heiß duschen, Wäsche waschen und auch ein kaltes Bier für den Tagesausklang kaufen. Im Gegensatz zur Deutschschweiz mit den winzigen 0,33l-Flaschen ist hier die Portion genau doppelt so groß.

Das Bierchen hilft auch ein wenig, die Getriebesorgen zu zerstreuen, die ich seit heute Mittag habe. Auf einer langen Steigung dreht plötzlich der Motor ruckweise heulend hoch, um mit einem lauten Krachen aus dem Motorblock wieder auf normale Drehzahl zurückzufallen, alle paar Sekunden wiederholt sich das Spiel.

Zuerst wird die Kupplung verdächtigt und neu eingestellt, bringt aber keine Besserung. Weil das Symptom nur im dritten Gang auftritt und fahre den Rest des Tages nur noch mit den übrigen Gängen. Da fehlt leider schon etwas, voll ausgedreht beschleunigt die Zweite das Gespann auf etwa 45 km/h, die Vierte zieht aber dann nur bei leichten Steigungen weiter bergauf. So kämen wir zur Not auch bis Österreich, aber anstrengend wäre es doch. Man hat ja viel Zeit zum Nachdenken, wenn man im zweiten Gang Steigungen hochheult, so dass ich bis zum Abend zum Schluss komme, dass etwas mit der Getriebedistanzierung nicht hinhaut.

Zum Motor zerlegen habe ich wenig Lust, auch keine Ersatzteile dabei, und womöglich geht das Werkl nachher gar nicht mehr. Bleibt also nur eine leicht gewaltsame Nachdistanzierung von außen, also die Einwirkung auf die Getriebeausgangswelle. Da diese im Kettenritzel endet, ist nur noch die Frage, ob man draufhauen soll, oder die Welle herausziehen. Diese Entscheidung wird durch gewissenhaftes Studieren der Reparaturanleitung und einen Anruf bei meinem Kumpel Jörg geklärt: draufhauen!

Das beruhigt mich, in Kombination mit dem Bier, doch ungemein. Schließlich kennt Jörg sich aus mit der MZ wie kaum ein anderer, war mit seinem Gespann schon bis Syrien und fuhr lange Zeit nichts anderes. Er hatte das Problem auch schon mal, und da hat das Draufhauen geholfen. Morgens borge ich mir einen Hammer aus und repariere den vermeintlichen Getriebeschaden mit ein paar herzhaften Schlägen auf die Welle. Gerade zwei oder drei Millimeter geht das Ritzel rein, aber das reicht, dass wir störungsfrei über alle restlichen Pässe bis nach Hause kommen werden. Und zuallererst mal nach Südtirol.




Morgen im Obstgarten


Falzarego-Pass Ostrampe mit Tunnelkehre


Am Passo di Falzarego, 2117 m


Und nochmal Falzarego


Südtirol
Großeinkauf und Geldwechsel erledigen wir in einem großen IPERCO-Einkaufszentrum außerhalb von Sondrio, wo viele alte Moto Guzzi-Motorräder ausgestellt sind. Es ist wieder heiß, die Sonne befördert die Quecksilbersäule im Tagesverlauf bis jenseits der 30°-Marke. Es geht ruhig dahin auf der Bundesstraße, dann den Passo Aprica hinauf. In seinem Verlauf finden wir eine Wiese zum Rasten, Mortadella jausnen, Wäsche trocknen, Siesta machen.

Als die ärgste Hitze vorbei ist geht´s über den Passo Tonale und, als wir keinen passenden Schlafplatz finden, auch noch den Mendelpass hinauf. Hier kurz vor Bozen, dürfte die letzte Möglichkeit zum Zelten sein. Es wird schon dunkel, wir entscheiden uns für eine oft erfolgreiche Strategie: Eva und Anna bleiben beim Gespann und machen Pause, während ich mit der XT die Gegend absuche. Etwas frustriert komme ich nach einer halben Stunde zurück, die Gegend ist voll mit Wochenendausflüglern, Zweithausbesitzern, Hüttenbewohnern. Schaut nicht gut aus.

Aber da sind meine Beiden schon im Gespräch mit einem Landrover-Fahrer, der mit seinen beiden Söhnen auf dem Heimweg von einem Badeausflug ist. "Das ist ja mein altes Motorrad!", stellt er erfreut fest, als ich mit der XT daherkomme. Wir unterhalten uns etwas, und werden von Christian eingeladen, auf seiner Wiese zu übernachten! Das freut uns sehr, denn wir hatten wenig Lust auf einen Campingplatz. Es geht bei letzter Dämmerung den Mendelpass hinunter und nach St. Michael, wo wir Christians Frau Elisabeth vorgestellt werden und unser Stoffhaus im Garten, zwischen Wein und Apfelbäumen, aufstellen dürfen.

Nach erfrischender Dusche legen wir unsere Zivilkleidung an und werden noch auf die Terrasse zum Abendessen eingeladen, und zum Erzählen. Wir lernen auch den dritten Sohn, Stefan, kennen. Ein sehr schöner Tag geht spät zu Ende. Am nächsten Tag geht es ebenso herzlich weiter, unsere Gastgeber erweisen sich als Graz- und Österreich-Fans, die ihren letzten Urlaub radfahrend der Drau entlang verbracht haben, auch gerade letzte Woche in Graz waren. Da fällt es leicht, eine Gegeneinladung auszusprechen! Leider müssen wir schon weiter, es liegt noch halb Südtirol vor uns, und wir möchten rechtzeitig und mit etwas Luft in Slowenien ankommen, wo wir Freunde aus Wien treffen wollen.

Bozen, Nigerpass, Karerpass, Canazei, Passo di Fedaia, Passo di Falzarego, Cortina d´Ampezzo, Valle di Boite, viele Kurven und doch nur gut 150 km. Wir fahren hinauf zum Marmolata-Gletscher, erleben Nieselregen und Sonnenschein, Kurven, Kehren, Abfahrten, den Touristenrummel in Canazei bei eine Cappuchino, und das Getriebe hält, hurra!

Wir betten unsere müden Häupter an der Nordrampe des Passo Cibiana, wo ein Rastplatz geradezu ideale Verhältnisse für eine Übernachtung bietet. Sogar einen Tisch und eine Quelle gibt es dort! Leider macht uns der so oft abends auftretende Regen einen Strich durch die Rechnung, und wir müssen wieder mal im Vorzelt, unter beengten Verhältnissen, abendessen. Na, dafür ist am Morgen dann Kaiserwetter!


Die Fauskeilmethode
  Eine gute Gelegenheit, einem unangenehmen Geräusch auf die Spur zu kommen, während die Mädels ausschlafen. Seit den Getriebesorgen treten auch vermehrt knackende und klackernde Laute im Hinterradantrieb auf, in Rechtskurven ausgeprägter als linksherum, zwischendurch ganz kurz undefinierbares Quietschen oder Knirschen, dann wieder länger nichts. Ich vermute aufgrund eines Präzedenzfalles, dass sich ein Teil der Bremse selbständig macht und schleift, entdecke aber beim Ausbau ein zerstörtes Radlager.

Es besteht noch aus Kugeln und Lagerschalen, der Käfig ist nur noch in Restbröseln zu erahnen, wohl zermahlen worden. Der Lagersitz scheint aber noch in Ordnung zu sein, kein Grund zum Verzweifeln, Radlager hat man ja dabei. Das erste Problem ist der Ausbau des Lagers, das sich ja zerlegt hat. Den Innenring und die Kugeln kann ich einfach rausnehmen, aber der Außenring bietet dann keine Angriffsflächen mehr. Also alles wieder reingelegt, die Kugeln mit Moos (als Käfig-Ersatz) ausdistanziert. Jetzt kann ich wie üblich auf den Innenring klopfen, und das gesamte Lager müsste herausgehen.
Auf dem Benzinkocher kann ich die Nabe fast so gut erhitzen wie mit der Lötlampe, mit Hilfe eines Steinbrockens und dem größten Schraubenzieher (Methode Faustkeil, altbewährt) ist das Lager bald heraußen.

Der Einbau ist zwar etwas kitzelig, aber das neue Lager lässt sich doch bis auf den Grund des Sitzes klopfen und läuft immer noch spielfrei. Schon etwas glücklich stelle ich dann noch die Bremsen neu ein und synchronisiere sie.

Radausbau
 
Das defekte Lager

 
bemoost ...



Sella Carnizza, Italien

Die Reiseküche

 
Slowenien
Auf dem weiteren Weg nach Slowenien, über Tolmezzo und das Resia-Tal ist das schon ein ganz anderes Fahrgefühl! Alleine das Reinigen der Bremsen hat eine deutliche Verbesserung gebracht, und Knacken tut auch nichts mehr. Außer unsere Nerven. Weil wir jetzt unerwarteterweise mit dem schwierigsten Stück unserer Reise kämpfen.

Wir hatten Respekt vor den berühmten und bekannten Pässen der Schweiz und Südtirols, aber der kleine Sella Canizzea fordert uns und den Maschinen das Letzte ab. Zuerst geht es über viele viele Kehren im Wald bei Steigungen jenseits der 20 Prozent bergauf, so dass der erste Gang an der MZ noch zu lange ist und der Motor vor Hitze stinkt, dann geht es einige Kilometer sehr eng, kaum einspurig dahin, dafür unübersichtlich und kaum mit Ausweichmöglichkeiten. Mit dem Beiwagen und ohne Rückwärtsgang sehr spannend, und Eva kann mit der XT auch kaum wo stehenbleiben, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.

Zwischendurch eine halbstündige Pause: Anlässlich einer Begegnung mit einem VW-Bus in einer unübersichtlichen Kurve mit beiderseitiger Gewaltbremsung reißt der Bremszug aus. Wir machen eine nervenschonende Rast, während der ich das Seil neu verlöte.



Der Paddelfluss Soca


Slowenien, Julische Alpen
Die weitere Strecke nach Ucca in Slowenien ist problemlos, gut ausgebaut und asphaltiert, nur der einsetzende Regen kann unsere Laune noch trüben. Wollten wir ursprünglich Bovec ansteuern, so entscheiden wir uns angesichts der finsteren Wolken für die Gegenrichtung und landen etwas südlicher in Trnovo ob Soci auf einem uns bislang unbekannten Zeltplatz. Der ein absoluter Volltreffer ist! Hier tummelt sich das bunte Völkchen der Wildwasserfreaks, die Soca ist ja einer der schönsten Flüsse (wenn nicht sogar der schönste) Europas. Unsere Freunde aus Wien sind leider nicht erreichbar, obwohl das ausgemacht war. Uns gefällt es so gut, dass wir trotzdem zwei Tage bleiben, ausrasten, faulenzen, spazieren, spielen, lesen, was man halt so tun kann wenn man nicht herumfährt und schraubt. Anna backt Brot für uns, Eva liest im neuen Buch von John Irving weiter. Ruhige Urlaubstage also.


Anna beim Brot backen
 
Slowenien, das Land des Renault 4 ...
 


Drittes Teilstück der Reise:


Comer See-Graz

830 km

6 Tage





Anna im Beiwagen

Italien, Österreich, heim
Schon wieder Sonne! Wir gehen die letzten 250 Kilometer an. Im Soca-Tal an Bovec vorbei und über den Passo di Predil fahren wir nach Tarvis. Verkehrshölle, ein Stau wälzt sich durch den kleinen Ort. Wir parken außerhalb und gehen am Bach entlang ins Zentrum, wo wir unsere restlichen Lire in italienischem Essen anlegen.

Über Arnoldstein reisen wir nach Österreich ein, fahren auf der Autobahn über Villach nach Klagenfurt. Alles bei schönstem Wetter. Weiter auf der Bundesstraße: Griffener Berg, Lavanttal, in St. Gertrauder Kaffee- und Kuchenpause. Dann ohne Zwischenfälle über die Weinebene zurück in die Grüne Mark. Nach Graz hinein regnet es leicht, aber das juckt uns nicht mehr. Nach 2400 km sind wir wieder zuhause! Mit Roland und Ulli sitzen wir noch lange auf dem Balkon bei italienischem Abendessen und plaudern, ein würdiger Abschluß für unsere dreiwöchige Alpen-Tour.

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