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  Algerien 1989 Teil 1 von 5: Graz - Ghardaia




Das Algerienvisum


Vorgeschichte
Einige Pläne fürs Jahr 1989 lagen schon der Luft. Die Sahara-Idee kam im Sommer 1988, als sich mein Schwesterherz und ich eine Hütte mit einem deutschen MZ-Fahrer teilten, in Norwegen. Der war mit seiner 251er ETZ in Algerien. Die Vorstellung einer Wüstenreise waren im verregneten Skandinavien sehr verlockend, und so reifte ein Plan.
Eigentlich geplant war die Saharareise mit einem Bekannten aus Deutschland, der dann doch umdisponierte um wieder Seitenwagen-Motocross zu fahren.
Am 22. November 1988 erzähle ich einer Studienkollegin und Freundin von meinen (vagen) Sahara-Plänen. Sie ist interessiert, und irgendwann frage ich sie, ob sie sich vorstellen könnte, mitzufahren.
Natürlich gibt es in den nächsten Wochen Bedenken von vielen Seiten, erstaunlicherweise aber nicht von ihren Eltern. Wir überlegen viel in Richtung Gesundheit (Weisheitszähne, Blinddarm), und einige Scherze über Skorpione und Spinnen machen die Runde. Der Entschluss steht aber: wir fahren!

Die Ausrüstungs- und Routenlisten sind mein allererster Kontakt mit einem "echten" Computer: auf dem Amiga eines Mitbewohners wird getippt bis spät in die Nacht. Parallel zu den Vorbereitungen geht das Studentenleben weiter, eine wichtige Statikprüfung steht bevor. Ich fahre noch im Dezember mit der Tenere bei leichtem Schneefall nach Salzburg, um Rudi zu treffen, einen alten Sahara-Fuchs. Die Tenere kommt in die Gartenhütte zur weiteren Vorbereitung.
Christine geht Motocross-Stiefel und Leichtschlafsack kaufen, alles andere lässt sich ausborgen. Helm, Handschuhe von mir, die einteilige Rennkombi stammt aus den Fünfziger Jahren von einem Freund eines Freundes, der damals Werksrennfahrer für PUCH war!
Ich versehe die Alukoffer mit Laschen, um Kanister unterhalb befestigen zu können. Zu Weihnachten bekomme ich von meinen Eltern etwas sehr Passendes: einen Gutschein für die "Sahara-Wunschbereifung"!

Der Vater eines Freundes verstärkt mir bereitwillig den Gepäckträger. Ein geschlitztes Blech für den vorderen Kotflügel entsteht in den Weihnachsferien ebenso wie Tanktaschen und neue luftige Seitendeckel. Beim Michelin "Desert" Hinterreifen (140 mm breit!) werden die Seitenstoppel mit dem Fuchsschwanz gekappt, weil er sonst beim Einfedern am Auspuff streift. So ein Trumm von einem Reifen!
Am 31.1. Statikprüfung bestanden, Semesterferien und Finale in den Vorbereitungen. Beim Hausarzt kann ich viele benötigte Medikamente als Probepackungen bekommen, die Tenere wird von einem guten Mechaniker nochmal durchgeschaut (Speichen etc.), ich will hier nichts riskieren. Meine Lederjacke wird mit Protektoren versehen, der BMW-Helm mit einem Sonnenschild. Christine fährt nach Wien, um unsere Visa zu besorgen.
Mit Schwesterherz besuche ich noch im Februar das Elefantentreffen, das damals noch am Salzburgring stattfindet. Ein letzter Test für Mensch, Maschine und Ausrüstung ...
Christine reist an, letzte Einkäufe werden gemacht
.




Gardasee Westufer


Erste Zeltnacht im Appenin


Über Bozen nach Genua

Am 2. März 1989 um 11 Uhr geht es los. Bis Rosenheim ist starker Gegenwind, Schneefall, Tempo 90 hinter Lkws. Ab dort wird das Wetter besser, weiter geht es über Kufstein zum Brenner. Auf der alten Brenner-Bundesstraße ein mulmiges Gefühl, erstmals eine kurvige Strecke mit der vollen Beladung, Kanister unter den Koffern, Sozia, und den neuen Reifen. Deren Alpen/Wintertauglichkeit ist verheerend, durch die harte Gummimischung nehmen wir jede Kurve im leichten Drift, und starkes Fahrwerkspendeln nervt. Immerhin setzen die Kanister nicht auf, und langsam gewöhne ich mich daran. Wir übernachten in einem Zimmerchen in Bozen.
Am Gardasee regnet es zwar, wird aber langsam angenehm warm (+7°C). Die Katastrophenstrecke bis Brescia nervt: Kolonne, Lkws, Tempo 50, Ortsdurchfahrten und Industrie. Also doch Autostrada.
Auf der Strecke durch den Appenin über Bobbio finden wir spätabends einen schönen Zeltplatz am Flussufer.

Am 4. März vormittags erreichen wir Genua und sind zuerst einmal leicht beunruhigt, buchstäblich hunderte Leute und Fahrzeuge warten auf die Fähre. Und wir haben noch keine Tickets. Mit einem Motorrad findet sich zwar fast immer noch ein Platz, aber eben nur fast ... Der Ticketverkauf hat gerade Mittagspause, wir können erst am Nachmittag die ersehnten Papiere einstecken - Glück gehabt. Ich schwöre mir, beim nächsten Mal im voraus zu buchen! Die Kosten liegen damals übrigens bei 48 Euro fürs Mopped und 60 Euro pro Person, Deckpassage, one way.

Wer mit uns auf das Schiff nach Tunis wartet? Thomas Trossmann, der Autor des Standardwerks über Wüsten-Motorradreisen, mit einer von ihm geführten Reisegruppe.
Es ist erstaunlich, was die tunesischen Gastarbeiter alles nach Afrika mitnehmen, in und auf ihren Autos. Ein Wagen ist derart überladen, dass er die Rampe nicht hochkommt und geschoben werden muss. Die "Habib" legt gegen 18.00 Uhr ab, es geht südwärts, Afrika entgegen!




Was auf einen Renault 5 alles draufgeht!


Deckpassage

Überfahrt Genua - Tunis
Am nächsten Tag ist das "Unterwegs-Gefühl" voll da: Die Anreise der letzten Tage sind vorbei, wir sind mitten in unserem Abenteuer! Nach einem 12-Franc-Frühstück (2 Euro) verbringen wir den Großteil des Tages an Deck, in der Sonne. Die Mischung auf der Fähre ist bunt, sicher dreißig Motorräder und viele Geländefahrzeuge, vom Unimog bis zum Übersteller-Peugeot, sind an Bord. Schade nur, dass es eine recht strikte Trennung zwischen erster und zweiter Klasse gibt, so läuft man vielen Leuten einfach nicht über den Weg. Petrus meint es gut mit unseren Mägen: kein Lüftchen bewegt das Meer, spiegelglatt ist die "Fahrbahn" des Schiffs.

Im Laufe des Vormittags beginnt auf hoher See die Einreise, man muss Kärtchen ausfassen und auf diesen französisch-arabischen Formularen seine Einreisedaten angeben. Gut dass Christine ihre Schulkenntnisse aufpoliert hat, ich hab nämlich keine in diesen Sprachen. Nach einer Stunde Anstellerei in den stickigen Gängen haben wir alle Stempel.

Großes Hallo in La Goulette, dem tunesischen Hafen. Sehr viele Familien warten hier auf die heimkehrenden Gastarbeiter. Wir kommen recht unbehelligt durch die nächsten dreißig Minuten Chaos. Fast hätten wir uns umsonst angestellt, gerade rechtzeitig werden wir von Mitreisenden aufmerksam gemacht dass wir diese Stempel schon alle am Schiff bekommen haben. Tatsächlich! Wir werden an den Autos vorbeigewunken und ins Gewimmel von Tunis entlassen.

Nach etwas Umhergeirre finden wir ein günstiges Hotel, wo wir die Maschine im Gang zur Küche parken dürfen, und das auch günstig ist. Im ersten Hotel wo wir anfragten, wollte man fürs Doppelzimmer 380 Tunesische Dinar, das entspricht 380 Euro !! Unsere Hütte kostet 20 Euro, und der Chef macht uns sogar noch Abendessen.



Erstes Wildcamp in Afrika


Das Amphitheater von El Jem



Tunis - El Fahs - Kairouan - El Jem - Gabes - Matmata
Frühstück in der Gasse kaufen kostet gerade mal 70 Cent, dafür komme ich mit Fruchtjoghurt, Brioches und Milch zurück. Nach ein paar organisatorischen Dingen (Postamt, Einkäufe, ...) kann es losgehen. Das Fahren ist abwechslungsreich, weil so viele neue Eindrücke da sind. Die Vegetation, die Leute, die Fahrzeuge, die Gerüche - alles ist anders und aufregend. Wir essen in den kleinen Imbiss-Stuben am Straßenrand irgendwelche höllisch scharfen Sachen und schlagen abends ein wenig abseits unser Zelt auf, im Gebüsch.

Außer uns übernachtet dort ein Schwarm Stare (?), die uns bei Sonnenaufgang mit Wahnsinnsgeschrei wecken. War eh Zeit, in der Früh ist es bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt nicht gemütlich in unseren Sparschlafsäcken.
In El Jem besichtigen wir das römische Amphitheater. In Europa wäre das eine stets gut besuchte Atraktion, vielleicht wie das Kolosseum in Rom.

Hier sind wir die einzigen Besucher. Es gibt auch keine Absperrungen, und kein Eintritt wird verlangt. Lustig, einach so im alten Gemäuer herumzustreifen. Das Theater wurde aus weichem Sandstein errichtet, und man sieht recht gut wie es vom Wind über die Jahrhunderte abgeschliffen wurde.

Bei einem Geländeabbruch schlagen wir unser Zelt auf und kochen uns ein Abendsüppchen. Wir haben keinen Nachtfrost mehr, es ist gemütlich im Zelt.


  Wir stellen fest, dass afrikanische Zeltnächte nur wenig anders sind als anderswo. Ein paar unbekannte Geräusche mehr vielleicht. Nach einem Müslifrühstück und kurzer Fahrt unternehmen wir einige Spaziergänge in Matmata.

Die ganze Gegend ist durchlöchert wie ein Käse. Der weiche Tuffstein ermöglichte es seit Jahrhunderten, mit geringem Aufwand Wohnhöhlen in den Boden zu graben. Zuerst wird ein großer Trichter angelegt, als Innenhof. Von dort aus werden dann die Zimmer in die Seitenwände gegraben. Und vielleicht ein Verbindungsgang zum Nachbartrichter.
Matmata ist zwar definitiv touristisch "entdeckt", aber dennoch einen Besuch wert.



Sandpiste zum Üben


Am Chott el Jerid


Matmata - Douz - Chott el Jerid - Tozeur
Unsere erste Nichtasphalt-Strecke führt uns 100 Kilometer nach Westen und bietet Gelegenheit, das Fahrverhalten unserer Fuhre kennenzulernen, wenn es holpert. Zunächst ein besserer Schotterweg, wird die Piste später auch mal felsig und richtig sandig.
Die in der Theorie bekannten Fahrtechniken werden jetzt geübt - und funktionieren! Lenkerrütteln hilft beispielsweise, in einer tiefen Spurrille sturzfrei dahinzufahren. Christine findet sich im Gelände langsam auf ihrem "Arbeitsplatz" zurecht. Mit einer Hand am Gepäck und einer Hand auf meiner Schulter kann sie die üblen Bodenwellen"ausreiten, rodeomäßig.

Kurz vor Douz zelten wir in den Dünen, mit uns viele Moskitos. Definitiv einer von vielen guten Gründen, mehrere Kilo Zelt mitzuschleppen.

Der große Salzsee im Herzen Tunesiens, der Chott el Jerid, empfängt uns mit starkem Wind, der Sandwolken quer über die Dammstraße bläst. Schade.

In Tozeur treffen wir viele viele Touristen an, es ist Wochenmarkt.

Wir passieren die algerischen Grenze am 8. März zur Mittagszeit. Nach Zwangsumtausch und Erwerb einer einheimischen Versicherung kehren wir noch auf eine Eierspeise ein, dann machen wir uns auf den langen Weg nach Westen




Keine Nebenstraße, die Hauptstrecke!


Die erste Etappe


Algerien: Von der Grenze nach El Oued

Sehr sandig ist die Straße, eigentlich wird sie gerade von einer Düne verschluckt. Immer wieder sind Sandverwehungen auf dem Asphalt, für die wir auch erst die richtige Technik entwickeln müssen: Abbremsen auf etwa 40 km/h, und dann mit etwas Gas durchfahren. Da der Campingplatz in El Oued aber auch gar nicht verlockend ist (Stichwort: schatten- und trostlos), wenden wir uns zunächst dem Motorrad zu und machen bei der Tankstelle ein kleines Service: Luftfilter reinigen, Luftdruck und Batteriewasser checken.

Dabei stellt sich heraus dass wir in der Tankstelle duschen können, das lassen wir uns nicht zweimal sagen!
Sauber gewaschen suchen wir einen Schlafplatz in den Dünen, ein paar Kilometer außerhalb. Der Wind frischt auf und trägt immer mehr Sand mit sich. Wir stellen eilig das Zelt auf und verkriechen uns in der einbrechenden Dunkelheit ins Stoffhaus. Gekocht wird im Vorzelt, während draußen die Sandkörner aufs Zelt prasseln.



Zwei Schweden auf einer Transalp 650 ...



Zeltaufbau, ungemütlich




Trichteroase
 
El Oued - Touggourt - Ghardaia
Morgens finden wir schöne Sandrosen hinter dem Zelt, vom Wind freigelegt. Diese Gipskristalle entstehen durch verdunstende Bodenfeuchte und werden gerne als Souvenir gekauft. Aus Platz- und Gewichtsgründen können wir nur ein paar Fotos davon mitnehmen ...
Wir entdecken etwas, was gestern abend bei Dämmerung und Sandsturm gar nicht so richtig erkennbar war: Wir zelten mitten zwischen den bekannten Trichteroasen: Die Palmen sind in Vertiefungen gepflanzt, damit die Wurzeln näher am Grundwasser sind, und die Pflanzen besser windgeschützt. Die Hauptarbeit bei diesem System besteht darin, den hineingewehten Sand wieder aus dem Trichter zu entfernen.



Markt in El Oued


Als wir in El Oued den Markt besuchen, wird inzwischen unser Motorrad erleichtert: Christines Turnschuhe, Leukoplast, Gummispanner sind weg.

In Touggourt angekommen, sind wir uns einig dass wir eine kleine Pause brauchen. Das Hotel "Oasis" bietet die passende Umgebung: Ruhe vor bettelnden Kindern und klauenden Leuten, und hey, es gibt sogar einen Pool! Das Hotel wird aus einer warmen Quelle versorgt, auch die Klos. Da weht immer ein feuchtheißes Lüftchen, wenn man auf dem Thron sitzt ...

 



Gewürze reichlich. Die großen Säcke sind aber meistens nur fürs Auge, unten ist Stroh drinnen ...


Sandrosen sind Gipskristalle. Die Bodenfeuchtigkeit verdunstet noch im Sand, einige Zentimeter unter der Oberfläche. Dort bilden sich aus den gelösten Mineralien manchmal diese "Sandrosen".
 
Weiter westwärts: auf einem kurzen Stück von ein paar hundert Metern blühen die sonst verdorrten Ginsterbüsche alle, da müssen ein paar Regentropfen gefallen sein. Wir sind schon einige Stunden gefahren - keine Ansiedlungen weit und breit - als wir einen Mann mit einer Fahne treffen, der uns bedeutet langsam zu fahren. Etwas später passieren wir ein paar Leutchen, die auf dem Asphalt hocken und mit Pinseln den Mittelstrich auf die neu asphaltierte Straße malen. Irgendwann abends erreichen wir Ghardaia.
 

Blümchen in der Wüste!
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